Vom Head of Global IT Procurement eines Weltkonzerns zu einem Start-up. War das nicht ein ziemlich radikaler Schritt, Jürgen?
Jürgen Steuer: Na klar, das ist eine Umstellung. Aber Großes fängt nun mal klein an. Auch bei Siemens wussten wir das und haben deshalb die Zusammenarbeit mit Start-ups gefördert, unter anderem mit next47. Die „47“ spielt dabei auf Siemens‘ Gründungsjahr 1847 an. Auch da hat man mal klein angefangen. Vicoland steht meiner Meinung nach auch am Anfang einer großen Geschichte. Und ist dabei ja schon gar nicht mehr so klein. Wenn ich mir die schnell wachsende Liste großer Kunden anschaue, fühle ich mich meiner beruflichen Vergangenheit gar nicht so fern.
Woher kommt denn Deiner Ansicht nach dem schnellen Wachstum bei Vicoland?
Es ist die richtige Innovation zur richtigen Zeit, auch der neue Dienstleistertyp „Vico“ [Anm. D. Red.: Abkürzung für Virtual Company]. Einerseits wird weiterhin Kosteneffizienz – bei zunehmend schwieriger Versorgungslage – für Kunden immer wichtiger. Da viele Faktoren hineinspielen, vom Preisdruck auf den sich unterschiedlich veränderten Absatzmärkten über gestiegene Energiepreise und Materialkosten bis hin zu Zöllen. Da ist ein Dienstleistertyp, der dank digitaler Technologie ganz ohne Overhead auskommt, schon interessant. Andererseits – und das ist wahrscheinlich noch wichtiger – brauche ich als Kunde heute einen Dienstleister, bei dem ich 100% sicher sein kann, dass meine und seine Agenda die gleichen sind. Ich möchte einen Partner, der genauso wenig Interesse wie ich als Kunde daran hat, dass Projekte komplexer werden oder länger als nötig dauern. Das ist der strategische Vorteil von Vicos als Dienstleistern. Die Vicos haben durch die Selbstorganisation über die Vicoland-Plattform und die Teams aus Freiberuflern keinen wirtschaftlichen Druck, irgendetwas anderes zu wollen als der Kunde. Gerade im IT-Einkauf, wo es um die Unternehmensinfrastruktur der Zukunft geht, müssen solche strategischen Überlegungen im Mittelpunkt stehen.
Sind Teams aus Freiberuflern, die sich selbst über eine digitale Plattform organisieren, nicht etwas Ungewöhnliches für Enterprise-Projekte?
Derzeit vielleicht noch ungewöhnlich. Aber die Betonung liegt auf „noch“. Immerhin arbeiten Vicos schon für ein halbes Dutzend DAX-Konzerne und viele Mittelständler. Auch die größten internationalen Dienstleistungskonzerne greifen gern auf Vicos zurück. Ich weiß aus Gesprächen mit Vicoland-Kunden, dass die oft anfangs gewisse Bedenken hatten, beispielsweise größere SAP-Projekte an eine Vico zu geben. Aber das hat sich dann geändert, sobald die mal verstanden hatten, dass Vicos stabile, flexible und eingespielte Teams von Experten sind. Das sind ja keine spontan zusammengewürfelten Haufen. So hat ein Vico weniger Personal-Turnover als eine traditionelle Firma. Und dann kommt die Erfahrung hinzu. Es wird ja keiner Freiberufler sein, der sich nicht aufgrund seiner Erfahrung zutraut, auf eigenen Beinen zu stehen. Das heißt, das sind alles Leute, die 10, 20 Jahre Erfahrung und Erfolge mitbringen.
Ok, aber selbst wenn Qualität und Kosten der Vicos vorteilhaft sind, wie sehen Sie die rechtliche Seite aus der Kundenperspektive?
Als Kunde verlange ich für ein Projekt natürlich nur einen Vertrag und einen zentralen, kompetenten und verantwortlichen Ansprechpartner. So wie ich das bei traditionellen Dienstleistern auch bekommen sollte. Das bieten mir die Vicos ebenso, aber das rechtliche Konstrukt ist natürlich ein anderes. Das ist Teil der Innovation von Vicoland und die Legal Tech von Vicoland spielt hier eine wichtige Rolle. Die Vicos sind ja rechtlich gesehen Konsortien. Mit so einem Konsortium kann ich als Kunde dann genauso einen einzigen Vertrag für ein Projekt schließen wie mit einer herkömmlichen Firma. Wenn ich will, kann ich auch Vicoland vertraglich dazwischenschalten. Aber egal wie: Die ganze Konsortialbildung läuft über Vicoland, und zwar übrigens auch so, dass keine Scheinselbstständigkeit auftritt. Das heißt, hier wurden rechtlich an ganz viele Details gedacht.
Die über 100 Vicos liefern heute vor allem SAP-Projekte ab. Wie beurteilen Sie den SAP-Fokus?
Irgendwo musste man ja anfangen. Der Dienstleistungsmarkt rund um SAP ist nicht nur groß. Es gibt auch viel Optimierungspotenzial rund um SAP-Dienstleistungen. Das ist ein gutes Terrain für die Vicos mit ihren Qualitäts- und Kostenstärken. Aber etwas anderes ist aus meinen Ex-Kunden-Sicht auch wichtig: Bei SAP gibt es viele Nischenfelder, auf die man immer mal wieder No-Bids bekommt. Der Grund ist, dass sich für traditionelle Dienstleister diese Nischen weniger lohnen – und dann hat man als Käufer einmal keine Auswahl, vielleicht sogar gar kein vernünftiges Angebot mehr. In den Vicos haben sich teilweise Spezialisten aus solchen SAP-Nischenfeldern zusammengefunden. Aus all diesen Gründen ist die derzeitige Konzentration von Vicoland auf SAP sinnvoll. Aber das Potenzial und der Nutzen von Vicos sind natürlich nicht auf ein Marktsegment beschränkt. Es gibt bereits heute vereinzelte Vicos in anderen Bereichen, zum Beispiel für CRM, Salesforce oder Content Management. Aber ich denke, die intensiven weiteren Bearbeitungssegmente sind für Vicoland ein strategisches Zukunftsthema. Aktuell bietet das SAP-Geschäft noch sehr viel Potenzial für Vicoland, übrigens auch über Deutschland und Europa hinaus.
Du hast ja nach über 25 Jahren Siemens einige Optionen gehabt. War Vicoland Liebe auf den ersten Blick?
Nach so vielen Jahren im Einkauf von IT-Dienstleistungen hatte ich ehrlich gesagt nicht mehr damit gerechnet, dass in dem Markt noch mal eine durchschlagende Innovation kommt. Da war Vicoland wie ein Erweckungserlebnis. Als mir der CEO anbot, dabei zu sein, habe ich natürlich erstmal gründlich drüber nachgedacht. Mir war dann aber schnell klar, dass ich bei diesem Zukunftsprojekt dabei sein will.
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